Roman Schnellbach
Samstag
Samstag 15.08.20
Lange nichts erzählt. Die Physiotherapie hat wieder angefangen und ich beginne einfach ganz langsam wieder. Es ist sehr schwierig, aus der extrem strukturierten und sehr intensiven Zeit, mit den Therapeuten in Pforzheim, zuhause etwas neues, eigenes zu entwickeln. Und es sind mehrere Aspekte. Das eine ist der mentale Anteil. Ich hatte es sicher schon mal geschrieben, dass es mir nicht so leicht viel, nach dem sehr intensiven Training, die Ruhe und die Pause zuzulassen. Die eigene Erwartung zu überdenken. Zufriedenheit auch dafür zu entwickeln, dass es nun langsam weitergehen darf. Nur langsam weiter gehen kann. Dass ich mir das erlauben darf. Zu akzeptieren, dass mit meiner Physiotherapeutin, zum einen so viel weniger Zeit zur Verfügung steht, und auch die Trainingsgeräte anders sind, wir mit anderen Ressourcen, andere Ideen entwickeln müssen. Können klingt besser. Dann hab ich nicht mehr zwei Therapeuten, weshalb viele der Übungen, die in Pforzheim alltäglich waren, so nicht mehr möglich sind. Abgespeckt eben nur möglich sind, oder angepasst werden müssen. Dazu braucht es auch Zeit.
Anfangs verursachte das bei mir das Gefühl, dass sich nicht mehr viel weiter bewegen wird, weil eben alles anders war als in der Reha.
Den Rollator, bekomme ich auch erst nächste Woche. Und auch da habe ich noch keine wirkliche Idee, wie ich ihn zuhause verwenden werde, wie ich übe, was ich übe. Immer noch, vor allem, Fragezeichen. Was brauche ich noch? Oder gewähre ich mir einfach jetzt die Gelassenheit, dass ich Stück für Stück einfach sich das ganze entwickeln lasse? Das ist für mich nicht einfach. Vielleicht für mich die größte Herausforderung.
Und körperlich? Ganz ehrlich, es ist mega anstrengende, selbst wenn ich nichts tue und mich zu entspannen versuche. Denn die Spastik ist extrem. Und ich gebe zu, dass ich mir manchmal den Zustand, vor Pforzheim, zurückwünsche. Als ich mich entspannt hinsetzen konnte, oder hinlegen und meine Bein- und Bauchmuskulatur nicht erst mal mit allen Kräften, gegen mich arbeitet. Dazu das Nervenkribbeln, ich will es nicht Schmerzen nennen, das auch seit Anfang Mai nicht aufhört. Nachts mehrmals aufzuwachen, um mich zu drehen, bin ich ja gewöhnt. Dass aber bei jeder Drehung meine Beine wieder so stark in die Beugung oder Streckung gehen, dass ich mich aufsetzen muss, um sie wieder „ruhig zu bekommen“, das war vor der Reha nicht so. Wollte ich das so? Geplant habe ich das zumindest nicht.
Ich frage mich nur, ob sich das wieder ändert. Positiv entspannen wird? Die Reaktionen der Muskulatur sind Konsequenzen, von der neurologischen Verletzung. Und die Spannung ist zum Stehen und Gehen auch wichtig. Nur weiß ich einfach nicht, wie schnell ich, entweder positiv mit dem Laufen weiterkommen, oder wie schnell ich zu mehr Entspannung komme, wenn ich entspannt sein möchte. Das ist gerade keine so angenehme Situation. Ach ich sage es, wie es ist, es ist momentan eine fast permanent unangenehme Situation. Auch weil sich alles völlig ungewiss anfühlt.
Die körperlichen Einschränkungen und Spannungen führen auch dazu, dass vieles, was für mich vorher einfach war, nicht mehr so funktioniert, wie ich das gewohnt war.
Wenn ich zum Beispiel, auf meinem Knietablett etwas stehen habe, eine Tasse oder einen Teller, dann konnte ich mich bis Ende April auf der Seite nach unten beugen, um etwas vom Boden aufzuheben. Ich habe mir das abgewöhnt. Denn mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, wird durch die Seitwärtsbewegung der Oberschenkel rechts aktiviert, der nach oben zieht und damit alles, was gerade noch auf dem Tablett stand, mit Schwung in die Luft katapultiert. Scherben. Frustrierend. Denn ich muss, gefühlt, wirklich wieder ein ganzes Stück zurück und neu anfangen.
Spülmaschine ausräumen. Auch da muss ich viel mehr aufpassen, dass ich das Geschirr auf dem Schoß behalte und nicht fliegen lasse. Und es ist keine Alternative, jetzt zu sagen, dass ich all das nun einfach nicht mehr mache. Es gibt noch genügend andere Beispiele. Gestern bin ich wegen der Spasitk mit dem Rollstuhl einfach rückwärts umgefallen. Ist nichts weiter passiert. Auf die Art zu fallen, haben wir schon in Murnau in der Unfallklinik gelernt. Aber es ist so lästig. Ich bin nur froh, dass ich dennoch dabei ruhig bleibe und mich nicht anfange zu ärgern. Das wäre früher meine Reaktion gewesen, was es aber auch nicht besser macht.
Nein, ich jammere nicht. Ich erzähle es einfach, weil es mich tagtäglich, rund um die Uhr beschäftigt oder betrifft.
Ich werde sehe, was ich draus machen kann, dass es sich langfristig für mich gut anfühlt.
Aber damit bin ich noch ganz am Anfang.
Knietablett:
