Roman Schnellbach
Laufen - Aufstehen - weiter gehts
Dienstag 24.11.20
Sonne, blauer Himmel. Kalt aber erfrischend.
Am Freitag werden wir das Video für die Barmer machen - also das Laufen wieder versuchen und mehr in den Vordergrund rücken. Ich bin gespannt.
Die letzten Wochen war ich jede Woche dreimal zur Physio und Gerätetraining. Und zuhause baue ich an immer mehr Stellen Übungen ein. Und Ziel ist im Moment vor allem die untere, rechte Rumpfmuskulatur, die sich so lange auf die faule Haut gelegt hatte. Die linke Seit ist so viel stärker und stabiler und kompensierte so vieles und tut es auch jetzt noch. Und seit einigen Monaten verlagere ich immer mehr Dinge nach links. Ob es der Handhebel der Pavoni (Kaffeemaschine) ist, den ich nun mit links betätige, mich dazu links lang machen muss, oder mit der linken Hand Geschirr in die Spülmaschine räume - es ist egal, immer benötige ich die untere Rumpfmuskulatur dann zum stabilisieren. Und das ist gut so auch wenn ich permanent irgendwelche Verspannungen haben, weil immer andere Muskelgruppen mithelfen, was im Normalfall, wenn alles kräftig genug wäre, nicht nötige wäre. Latissimus und Trapezius sind die Obermacker, Schulter, Nacken… aber ich weiß ja, wofür ich es tue.
Und gestern haben wir wieder angefangen die Übung zu versuchen, die in Pforzheim täglich dazu gehörte, für mich aber die einzige, wirklich verhasste Aktion war:
Bridging (Erklärung: http://starke-physio.at/bridging/).
Und gestern habe ich beim Diskutieren mit meiner Physiotherapeutin endlich etwas verstanden.
Wenn ihr mal den link anschaut: bei der Übung geht es um den Gesäßmuskel und die hintere Oberschenkelmuskulatur, mit der man, ohne Schultern oder Oberkörper zu nutzen, den Po anhebt.
Mein Problem, ich habe seit 26 Jahren weder Bezug zu der Muskulatur in den Oberschenkeln, noch spüre ich den großen Arschmuskel (gluteus maximus), soll aber mit genau denen etwas tun. Für mich ist das so weit weg, auch von meinen Vorstellungsmöglichkeiten gewesen, dass ich daran immer verzweifelt bin.
Aber - ja, aber. Es gibt immer ein aber. Seit 2017 bin ich in Endorf zur Physio und seitdem arbeiten wir auch viel im Wasser. Und für mich ist das Medium oder die Umgebung deshalb so gut, weil ich da mit weniger Kraftaufwand mit Muskeln etwas wieder anbahnen kann, was mit der kompletten Schwerkraft nicht oder nicht spürbar funktioniert. Und gerade wenn man mit Muskeln wieder anfängt, die sehr schwach sind, weil sie fast 30 Jahr auf Pause standen, dann geht das nur mit minimalen Bewegungen und auch nur mit ganz wenig Kraft. Denn wenn ich das mit Kraft versuche, springen sofort andere Muskeln an, die ich benutzen kann und versuchen das zu kompensieren. Und schon habe ich keinen aktiven, spürbaren Zugriff mehr, auf die Muskuluatur, die ich aber doch eigentlich nutzen möchte. Im Wasser ist das viel leichter. Und deshalb entstehen auch da immer wieder so Aha Effekte, über Muskeln, die ich schon gar nicht mehr kenne.
Und jetzt? Jetzt haben die in Pforzheim ein System entwickelt, womit ich eventuell manchmal ein Problem hatte. Das Bridging, das in dem link auf dem Rücken liegend, erklärt wird, haben die in Pforzheim immer im Hochsitz gemacht, weil es da deutlich effektiver wäre. Stimmt, wenn man deren Konzept nimmt auch. Hinterfragt hab ich das da aber nicht. Sie meinten, ja geht im Liegen auch, bringt aber nicht so viel. Der Unterschiede von mir zu den allermeisten Patienten in Pforzheim war aber, dass bei mir der Unfall 26 Jahre her ist. Die andern haben ein paar Monate oder ein, zwei oder drei Jahre alte Unfälle. Und gestern sagte mir meine Physiotherapeutin, dass ein anderer ihrer Patienten, auch Querschnitt, Unfall nun gut zwei Jahre her, es deshalb leichter habe, weil die Reflexe für viele Bewegungsmuster, wie Aufstehen, etc., immer noch ansprängen. Bei mir aber nicht mehr - weil ich sie mehr als zwei Jahrzehnte mit anderen Techniken überlagert habe.
Und ich bin ein Mensch, der seit 2017 in der Physio immer im Kopf die Bewegungen verstehen muss, sie mit Worten aussprechen muss, sie mir bildlich vorstellen muss, damit ich einen Bezug wieder herstellen kann. Damit ich so ein altes Muster wieder aktivieren kann und an einen Muskel wieder hinkomme, den ich 26 Jahr nicht mehr gespürt habe.
Für jemanden, der erst seit zwei Jahren nicht mehr laufen kann, könnte es einfacher abrufbar sein. Und in Pforzheim setzen sie viel darauf, die Leute nicht denken zu lassen sondern einfach machen - und das ist auch verdammt gut, und hat auch bei mir an vielen Stellen super funktionieret. Aber für das Bridging, fehlte mir die Erklärung, die Vorstellung, was ich da tun sollte. Womöglich auch der Grund, warum ich die Übung so schlimm fand. Ich habe es nicht kapiert. Nun gut, jetzt ändert sich etwas.
Wir haben das gestern im Hochsitz (auf der Bank frei sitzen, Beine am Boden, aber nur leicht angewinkelt, da Bank fast Tischhöhe hat) wieder probiert sind aber dann doch in die Rückenlage gewechselt. Und dann hab ich mit Diana lang und breit darüber gesprochen, sie hat es mir vorgemacht, welche Muskeln, welche Bewegung in welche Richtung ausführen. Was passieren soll, wie es aussehen muss, welche Muskeln nichts tun dürfen. Viel Text. Aber ich muss es mir so klarmachen.
Und erst dann geht es. Ein weiteres Problem ist, dass diese anfänglichen Bewegungen so klein sind, dass sie optisch gar nicht zu sehen sind. Ich muss auch da viele Gänge zurückschalten. In Pforzheim wird dann von den Therapeuten massiv mitgeholfen in die Bewegung, die erreicht werden soll. Das ist auch gut, um dem Körper, den Muskeln zu zeigen worum es gehen soll. Und darüber alte Muster zu aktivieren. Wenn ich aber aktiv mit allem, ,was ich habe mithelfe, dann mache ich das Bridging über die Schulter und Rückenmuskulatur, geh ins Hohlkreuz und diejenigen, die eigentlich mitmachen sollten, denken sich: ach, wenn die anderen das machen, brauchen wir ja nicht, und bleiben faul.
Ich habe aber gestern kapiert, dass es noch gar nicht um die große sichtbare Bewegung geht, sondern um das ansteuern der richtigen Bereiche, was ja schon schwer genug ist. Ich stelle mir also vor, dass ich die Füße auf den Boden drücke, mit der Oberschenkelrückseite Druck ausübe. Den Rücken und die Schultern auch auf die Bank drücke, Oberarme haben wir dann noch auf den Oberkörper gelegt, damit die keine Dummheiten machen können. Und dann? Ja, dann versuche ich das Becken nach oben zu drücken, womit? Ja, genau, dem Gluteus Maximus, untere Bauchmuskulatur anspannen, fixieren, aber nicht zu sehr, weil ich mich sonst in einen Rundrücken bringe. Und dann käme es eigentlich dazu, dass man den Po hochbekommt und die Schulter brav liegen lässt. Ich stelle mir aber erst mal nur eine leichte Drehbewegung oder ein Kippen des Beckens noch oben vor. Das aber nur auf Höhe des Steißbeins - ist auch etwa der Ansatz der Oberschenkelknochen um den sich das Becken kippen lässt. Und das geht erst, wenn ich mir davor noch vorstelle, vom Nacken aus, die ganze Wirbelsäule nach unten wandere, bis ich beim Steißbein bin und dann dort ansetze.
Das ist für mich ziemlich kompliziert, was bei Euch allen ohne nachdenken geht. Wobei, meine Physiotherapeutin sagt, das ist eine Übung, die auch normalen Leuten meist total schwer fällt, weil sie auch alle möglichen anderen Muskeln dazu verwenden, weil sie es sich nicht genau vorstellen können, was sie tun sollen.
Und jetzt spüre ich genau, dass die Muskulatur dort unten beim Steißbein (der Gluteus Maximus liegt genau drüber) reagiert. Ich kann es spüren. Aber nur, wenn ich das langsam und minimal versuche. Wenn ich mit Kraft und Bewegung was mache, dann fühle ich nur, dass ich mit allem möglichen anderen Muskeln irigendwie etwas versuche.
Wenn ich es mir aber gründlich vorstelle, kann ich das jetzt spielirisch in tausend Variationen üben. Sogar im Sitzen im Rollstuhl, kann ich den Bezug dazu herstellen. Bauchmuskulatur und Gluteus Maximus, Becken ganz leicht drehen oder kippen - genial.

So, Maximales Geplapper… aber mir hilft das, diese Bewegungen und Abläufe zu verstehen. Und nur so kann ich sie umsetzen.
Lasst Euch nicht ärgern!